Optimismus fängt in der Kindheit an. Wir können optimistische Menschen entwickeln, die ihre Probleme selbst in die Hand nehmen, weil sie selbst denken können, und wir können pessimistische Menschen entwickeln, die ängstlich und unsicher an jede Herausforderung herangehen und verzweifelt nach Sinn und Lösungsangeboten suchen, die ihnen von wohlmeinenden und weniger wohlmeinenden Menschen, Organisationen und Institutionen überall angeboten werden.
Meiner persönlichen Einschätzung zufolge befinden wir uns in der gefährlichen Situation, dass die Angebote der Angstmacher und Pessimisten zahlreicher, besser und erfolgreicher sind und wir dagegen halten müssen.
Hilflose Menschen
Statt einer Kultur der Eigenverantwortung und des kritischen Denkens erleben wir eine Epidemie der Opfermentalität, in der jede Herausforderung als Bedrohung wahrgenommen wird und immer mehr Menschen auf externe Lösungen zugreifen möchten, statt selbst Hand an das Problem zu legen.
Wie ist es dazu gekommen?
In unserem Bestreben, tolerant und integrativ zu sein, haben wir vergessen, wofür wir eigentlich stehen. Wir haben keine Haltung mehr. Die westlichen Werte - Freiheit des Denkens, kritische Vernunft, Eigenverantwortung und Mut zur eigenen Meinung - sind nicht selbstverständlich. Sie müssen gelebt, verteidigt und vor allem an die nächste Generation weitergegeben werden, denn sie haben zwar keine perfekte, aber die bisher beste und lebenswerteste Welt geschaffen, in der es zudem immer mehr Menschen immer besser ging und geht.
Unser Bildungssystem und unsere Erziehungsmethoden sind sowohl von falscher Zurückhaltung und relativistischem Denken als auch von ideologischer Beeinflussung geprägt. Während autoritäre Systeme und religiöse Fundamentalisten ihre Überzeugungen mit aller Kraft propagieren, zweifeln wir an unseren eigenen Grundwerten und versinken in beinahe selbstmörderischer Empathie. Dieses Vakuum füllen jene, die einfache Antworten und kollektive Identitäten anbieten – sei es durch politischen Extremismus oder religiösen Dogmatismus.
Es ist Zeit, dass wir wieder selbstbewusst für eine Erziehung zur geistigen Unabhängigkeit eintreten.
Was wurde aus der Aufklärung?
Der Kapitalismus und die liberale Demokratie basieren nicht nur auf Märkten und Wahlen, sondern auf der fundamentalen Idee des mündigen Bürgers, der fähig ist, selbst zu denken und Verantwortung zu übernehmen. Diese Mündigkeit fällt nicht vom Himmel – sie muss kultiviert werden, beginnend in den frühesten Jahren der Kindheit.
Die folgenden Gedanken sind ein Plädoyer für eine Rückbesinnung auf die Erziehung zu Denkern statt zu Mitläufern, zu Gestaltern statt zu Konsumenten einer vorgeformten Welt.
Die Architekten des Geistes
Wenn ein Kind zur Welt kommt, ist es zunächst ein beeindruckendes Netzwerk aus Möglichkeiten. Doch der unvoreingenommene Geist wird im Zuge der Sozialisation von anderen Menschen in sozialen Zusammenhängen geprägt – nicht nur durch liebevolle Erziehung, sondern oft durch gezielte Manipulation.
Die Verantwortung für die geistige Entwicklung unserer Kinder liegt nicht nur bei Eltern und Lehrern. Auch Medien, Politik und gesellschaftliche Strukturen beeinflussen maßgeblich, ob Kinder zu selbstständigen Denkern heranwachsen oder zu nützlichen Mitläufern konditioniert werden. Die Erziehung zur Freiheit ist außerdem kein leichtes Unterfangen, denn wie schaffen wir es unsere eigene Prägung, Einstellungen und Werte nicht so einzusetzen, dass sie Möglichkeiten verbauen.
Manipulation statt Ermutigung
In unserem Erziehungssystemen werden Kinder nicht mehr ermutigt, eigenständig zu denken. Stattdessen lernen sie , Autoritäten nicht zu hinterfragen und vorgegebene Antworten und Lösungen zu akzeptieren. Wenn ein Kind fragt: "Warum müssen wir das tun?" und als Antwort bekommt "Weil ich es sage" oder "Das ist eben so", verkümmert die natürliche Neugier.
Ein extremes Beispiel für gezielte Manipulation finden wir in historischen und leider auch aktuellen Beispielen, wo Kindern Hass systematisch anerzogen wird. In Schulbüchern, Radio und Fernsehprogrammen und Sommerlagern werden Kinder mit Hassideologien konfrontiert und zu Fremdenhass, Märtyrertum und sogar Terrorismus erzogen. Diese Kinder haben keine Chance auf freie Gedankenentwicklung – ihr Weltbild wird von klein auf durch Propaganda geprägt.
Der schmale Grat zwischen Erziehung und Indoktrination
Natürlich ist dies ein Extrembeispiel. Doch auch in demokratischen Gesellschaften gibt es subtile Formen der Manipulation:
Bildungssysteme, die Auswendiglernen über kritisches Denken stellen
Medien, die komplexe Sachverhalte vereinfachen und polarisieren
Eltern, die aus Angst oder Bequemlichkeit keine abweichenden Meinungen zulassen
Gemeinschaften, die kritische Fragen als Verstoß betrachten, brandmarken und damit ausgrenzen
Politische Akteure, die Schulen oder andere Orte, an denen sich Jugendliche aufhalten, als Plattform für ihre Ideologien nutzen
Diese Einflüsse sind oft nicht böswillig, aber in ihrer Wirkung vergleichbar: Sie formen Kinder zu Menschen, die gewohnt sind, Vorgaben zu folgen statt eigene Schlüsse zu ziehen.
Kindergärten und Schulen als Gleichschaltungsfabriken
Besonders problematisch ist die Rolle vieler Bildungsangebote. Statt Laboratorien der Neugier zu sein, funktionieren sie oft wie Fabriken: standardisierte Tests, standardisierte Antworten, standardisierte Denkweisen. Wer abweicht, wird zurechtgestutzt. Einstmals geschätzte Eigenschaften werden auf einmal kritisch betrachtet und stigmatisiert.
Die Parallelen zwischen autoritären Klassenzimmern und späteren gehorsamen Bürgern sind kein Zufall. Schon der amerikanische Pädagoge John Taylor Gatto argumentierte, dass moderne Schulsysteme bewusst darauf ausgerichtet wurden, folgsame Arbeitskräfte und Konsumenten zu produzieren – nicht unabhängige Denker.
Die Macht der Medien und sozialen Umgebung
Jenseits von Eltern und Schule prägen digitale Medien heute die Entwicklung von Kindern immens. Algorithmen bestimmen, welche Informationen Kinder zu sehen bekommen, welche Weltbilder sie kennenlernen und welche ausgeblendet werden. Die Echokammern der sozialen Medien verstärken bestehende Überzeugungen, statt sie kritisch zu hinterfragen. KI-Systeme und der Versuch, sie zu regulieren, sind die nächste Herausforderung. Sie liefern einfache Antworten, die und zu schnell zufrieden stellen, uns nicht weiter anregen und immer weniger hinterfragt werden, aber wie kommen die Daten in die Systeme und welche Werte werden damit programmiert?
In manchen sozialen Umfeldern wird abweichendes Denken mit Ausgrenzung bestraft. Kinder lernen schnell: Anpassung bringt Zugehörigkeit, kritisches Denken bedeutet Risiko.
Der Weg zu mehr Denkfreiheit
Was können wir tun, um Kindern echte geistige Autonomie zu ermöglichen?
Fragen fördern statt unterdrücken – Auch unbequeme Fragen verdienen ehrliche Antworten
Vielfältige Perspektiven anbieten – Kinder sollten verschiedene Weltanschauungen kennenlernen
Kritisches Denken lehren – Die Fähigkeit, Quellen zu hinterfragen und Argumentationen zu analysieren
Medienkompetenz stärken – Kinder brauchen Werkzeuge, um Manipulation zu erkennen
Fehlerkultur etablieren – Fehler und Irrtümer sind nicht Schwäche, sondern Teil des Lernens
Keine Romantisierung von Kindheit
Wir sollten uns nichts vormachen: Kein Kind wächst in einem neutralen Raum auf. Erziehung bedeutet immer Einflussnahme und viele Informationen funktionieren nicht ohne geeignete und trainierte Filtersysteme. Die entscheidende Frage ist, ob wir Kinder zu Nachfolgern oder zu Vordenkern erziehen wollen.
Zwischen den extremen Beispielen terroristischer Indoktrination und einer idealen Förderung von Denkfreiheit liegt die Realität der meisten Kinder: geprägt von widersprüchlichen Einflüssen, gut gemeinter
Fürsorge und unbewussten Manipulationen.
Für jeden, der mit Kindern arbeitet oder lebt, bleibt die Herausforderung: Wie können wir Orientierung geben, ohne Denken vorzugeben? Wie Werte vermitteln, ohne zu indoktrinieren? Wie Sicherheit bieten, ohne Abhängigkeit zu schaffen? Wie Mut machen auf eine tolle Zukunft, die sie selbst gestalten können und müssen
Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt davon ab, ob wir Kinder erziehen, die Fragen stellen – oder solche, die einfach nur Antworten wiederholen. In einer Zeit in der Antworten im Überfluss vorhanden sind, werden die richtigen Fragen zum Unterschied machenden Wettbewerbsvorteil
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