Als Menschen leiden wir unter kognitiven Verzerrungen. Leiden ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn die kognitiven Verzerrungen und Verkürzungen erfüllen einen Zweck. In den meisten Situationen sind sie sehr hilfreich. In anderen Situationen dagegen hinderlich und sogar gefährlich.
Der sogenannte “Optimism Bias” beschreibt die Tendenz, unsere Chancen auf positive Erfahrungen zu überschätzen und unsere Chancen auf negative Erfahrungen zu unterschätzen. Dies kann zu übermäßigem Selbstvertrauen in unseren (beruflichen) Unternehmungen und in unserem (Privat)leben führen.
Wir überschätzen uns
In der Tat neigen wir dazu uns zu überschätzen. Wir legen zu viel Selbstsicherheit an den Tag. Beinahe schon fatal ist die hinreichend erforschte Tatsache, dass Erfolg uns blind machen kann. Je erfolgreicher wir sind, desto optimistischer werden wir. Wir achten nicht mehr auf andere Perspektiven und schon gar nicht auf die Ansichten von Laien. Je mehr Lob wir bekommen oder in der neuen Welt, um so mehr Fans wir gewinnen, desto selbstsicherer werden wir und unser Optimismus bezüglich der Lösung von Herausforderungen steigt ins unermessliche. Sogar wenn der Kontext sich verändert und die Rahmenbedingungen sich verändert haben
Ozan Varol widmet diesem Phänomen ein ganzes Kapitel in seinem Buch: Boost - Denken wie Elon Musk und Co: Wissenschaftlich erprobte Strategien für gigantische Fortschritte in Beruf und Privatleben.
Wie Bill Gates sagt, ist Erfolg "ein lausiger Lehrer", weil er "kluge Leute dazu verführt, zu glauben, dass sie nicht verlieren können". Die Forschung unterstützt diese Intuition. In einer repräsentativen Studie wurden Finanzanalysten, die über vier Quartale hinweg überdurchschnittlich gute Vorhersagen machten, übermütig und wurden bei zukünftigen Vorhersagen ungenauer als ihre Ausgangswerte.
Varol, Ozan. Think Like a Rocket Scientist (S.255). Ebury Publishing. Kindle-Version.
Und an anderer Stelle:
In jedem Fall geht der Unsinkbare unter, der Unkaputtbare stürzt ab, und der Unzerstörbare zerstört sich selbst - weil wir davon ausgehen, dass unser bisheriger Erfolg unsere Zukunft sichert.
Varol, Ozan. Denk wie ein Raketenwissenschaftler (S.256). Ebury Publishing. Kindle-Version.
Als Lösung empfiehlt Ozan Varol:
…, das Wort Routine aus unserem Wortschatz zu streichen und alle unsere Projekte - vor allem die erfolgreichen - als ständig in Arbeit zu betrachten.
Wenn Sie so auf die Welt schauen und die täglichen Ereignisse beobachten.
Kommt Ihnen das noch wie Routine vor?
Ist der Kontext unverändert?
Ist es nicht eher höchste Zeit zu erkennen, dass Handeln nach Routinen eher das Problem ist?
Eine Reihe von kognitiven Verzerrungen
Die Psychologie kennt eine Reihe von kognitiven Verzerrungen, die mit der menschlichen Eigenschaft sich permanent zu überschätzen in Verbindung stehen. Eine davon ist der “Dunning Krüger Effekt” von dem jeder in den letzten 2 Jahren öfter gehört haben wird. Menschen mit geringen Fähigkeiten neigen bei der Erledigung einer Aufgabe dazu ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Dies kann gefährlich werden, wenn andere Personen auf die Anweisungen hören oder sogar hören müssen.
Welche Folge kann dies beispielsweise haben, wenn Menschen in eine Rolle kommen bzw. eine Position erlangen, in welcher sie wichtige Entscheidungen treffen muss, ohne die entsprechenden Fähigkeiten hierfür zu besitzen. Leider erkennen wir diese eigene Unfähigkeit gar nicht oder Zweifel und Scheitern wären der Rolle nicht angemessen.
Der Lake Wobegon Effekt besagt, dass viele Menschen eigene Fähigkeiten für überdurchschnittlich halten. Mit der Kontrollillusion unterliegen wir dem Glauben, bestimmte Dinge und Ereignisse kontrollieren zu können, die sich dieser Kontrolle eigentlich entziehen. Der bereits erwähnte “Optimism Bias” führt dazu , dass wir es für unwahrscheinlich halten ein negatives Ereignis zu erleben. Der “Hard Easy Effect” ist laut Wikipedia
eine kognitive Verzerrung, die sich in der Tendenz äußert, die Wahrscheinlichkeit des eigenen Erfolgs bei einer als schwer empfundenen Aufgabe zu überschätzen. Der Hard-Easy-Effekt tritt beispielsweise auf, wenn Personen bei der Beantwortung relativ leichter Fragen ein gewisses Untervertrauen und bei der Beantwortung relativ schwieriger Fragen ein gewisses Übervertrauen zeigen.
Das unbewusste Werk unserer Verzerrungen erkennen
Die Aufzählung ließe sich fortsetzen. Ist es wichtig diese Verzerrungen zu kennen und zu erkennen? Ich glaube ja. Um mit der sich ständig wandelnden Umwelt und dem rasanten Tempo unerwarteter Ereignisse umgehen zu können, müssen wir mehr über unser Mensch sein in Erfahrung bringen. Wir müssen die Kontrolle über unser Unterbewusstsein gewinnen, denn wenn die kognitiven Verzerrungen am Werk sind, laufen sie automatisch ab, ohne dass es uns bewusst wird.
Die erste Verzerrung, die wir alle ablegen müssen ist der tief in uns verwurzelte Glaube selber keine kognitiven Verzerrungen zu haben. Je klüger wir sind und je mehr wir von anderen geschätzt und bewundert werden, desto größer sollte unsere Demut sein. Außerdem sollten wir immer dann, wenn uns schnell eine Antwort oder Lösung einfällt, mißtrauisch sein und uns die Frage stellen: Was wäre sonst noch möglich und was habe ich vielleicht übersehen?
Was können wir also tun, damit uns Optimismus nicht schadet?
Wir können unser Denken und Handeln “Deritualisieren”
Wir können häufiger versuchen offen zu sein und besser zuhören
Wir können mehr Fragen stellen und weniger Entgegnungen hervorbringen
Wir können mehr zweifeln, vor allem auch an unseren eigenen Selbstverständlichkeiten und Handlungstheorien.
Wir können neugierig sein und versuchen Neues zu entdecken und zu lernen
Wir können uns mit anderen Perspektiven herausfordern
Wir können und sollten auf andere uns unähnliche Menschen bauen
Was können wir noch tun?
Buster Benson Cognitive bias cheat sheet
Why do we overestimate the probability of success